»Exordium« ist die Einleitung
»Hic fuit « – »er war hier«: Diese zwei Worte an markanten Orten – um nicht zu sagen: Tatorten – als Anwesenheitsbeweis und Nachweis für einen seiner Streiche hinterlassen zu haben sagt man dem schalkhaften und stets zu Streichen aufgelegten Till Eulenspiegel nach.*) Das heißt, die Menschen, an die Eulenspiegel seine Nachricht adressiert hat, wussten durch diese, dass es eben Eulenspiegel war, der den manifesten Streich verübt hat. »Hic fuit« gab ihnen Gewissheit und Orientierung bezüglich des Urhebers.
Das hier gezeigte Fotoprojekt »Himmelsbeweise« thematisiert sowohl ästhetische Gewissheit als auch Orientierung, gibt der Eulenspiegel-Situation aber eine andere Hinsicht. Gewissheit und Orientierung sind nämlich zugleich getrennt und vereint. Die Fotos des Himmels sind gewiss, aber es ist zunächst und zumeist nicht gewiss, wo sie tatsächlich aufgenommen wurden; es könnte überall gewesen sein. Für die Orientierung sorgt der Text, der die geografischen Koordinaten und die Aufnahmezeit angibt. Nur: Stimmt das auch? Kann man den Angaben des Fotografen trauen? Dem »hic fuit«?
Ein meist einfärbig-gestaltloser Himmel gibt dem Menschen keine Orientierung, auch dann nicht, wenn man ihn abbildet. Gewiss ist nur, dass ich als Mensch weiß, wo ich bin, mich gerade eben befinde. Um Anderen diese Orientierung zu geben, braucht es mehr als bloß ein Bild. Daher die schriftliche Ort-Zeit-Information, zusätzlich zum Bild.
Kunstwerke als Orientierung
Dies ungefähr waren die Überlegungen, die Student·inn·en von Grafikdesign und Fotografie gemeinsam mit mir angestellt hatten, als ich zum ersten Mal 2011 an der Kunstuniversität Linz eine Ästhetik-Vorlesung hielt, die sich dem Phänomen der Orientierung in der Geschichte der Kunst – und der Kunst-Werke! – widmete. Es waren ausgesprochen intensive Debatten, die sich vor allem nach jener Block-Vorlesung entfachten, in der ich die Geschichte der europäischen Monochrom-Malerei erzählte. Vor allem die Student·inn·en der Fotografie waren sehr interessiert, weil es ja nicht zur Kernaufgabe ihrer künstlerischen Bemühungen gehörte, monochrome Fotos zu verfertigen. Sie fragten vor allem nach den ästhetischen Bedingungen der Möglichkeit, monochrome Fotografien herzustellen.
Auf der Grundlage dieser sehr engagierten Diskussionen ist die Idee zu meinem Projekt »Himmelsbeweise« entstanden, das ich zunächst unter erfreulich großer Anteilnahme der Betrachter·innen peu-à-peu auf meinem Facebook-Profil veröffentlicht habe; später dann auch auf Instagram. Die Himmelsfotos habe ich auf meinen Reisen durch Österreich, Europa und auch in Brasilien aufgenommen. Da mein Mobiltelefon als location based service über eine Kompass-App verfügt, war es einfach, die genauen Koordinaten meines jeweiligen Standorts zu ermitteln.
Der Podcast dieses Kapitels
Fußnote:
*) Vgl. »Der wiedererstandene Eulenspiegel« – das ist: Volksbücher 12, Hg. Gotthard Oswald Marbach, Otto Wigand: Leipzig 1839, S. 46.